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Adipositas: Es ist nicht die Schuld der Kinder

Übergewicht ist gerade in der jungen Generation ein dringliches Problem. Das 11. Köln-Ehrenfelder Adipositas-Symposium beleuchtete Ursachen, Risiken und Therapien von Adipositas bei Kindern und Jugendlichen.

Adipositas bei Kindern und Jugendlichen bleibt ein drängendes gesellschaftliches Problem. Was sind Ursachen und Folgen der krankhaften Fettleibigkeit? Welche präventiven und therapeutischen Maßnahmen stehen zur Verfügung, um den Trend zu stoppen? Mit diesen Fragen beschäftigten sich zwei Beiträge auf dem Köln-Ehrenfelder Adipositas-Symposium, das im Jahr 2020 bereits zum 11. Mal im  St. Franziskus-Hospital stattfand. Gastreferentin Dr. Michaela Plamper von der Universitäts-Kinderklinik Bonn beleuchtete das Thema aus Sicht der Kinder- und Jugendmedizin. Dr. Andreas Plamper, Leitender Oberarzt am Exzellenzzentrum für Adipositas-Chirurgie am St. Franziskus-Hospital, stellte aktuelle Zahlen und Erfahrungen zu bariatrischen Operationen bei jungen Patienten vor.

Ernsthafte chronische Erkrankung
Aktuell sind in Deutschland ungefähr 15,4 % der jungen Bevölkerung zwischen 3 und 17 Jahren übergewichtig. Davon bringen 5,9% so viel Gewicht auf die Waage, dass man von einer krankhaften Adipositas sprechen muss. Im Vergleich zu früheren Studien ist der Anteil übergewichtiger Kinder insgesamt etwa gleichgeblieben. „Angestiegen ist allerdings der Anteil der extrem adipösen Jungen und Mädchen“, so Dr. Michaela Plamper. Viele junge Patienten zeigen bereits gravierende Folgeerkrankungen. Dazu zählen Bluthochdruck, Diabetes Typ 2, die Schädigung von Gelenken sowie die Ausbildung einer Fettleber schon in jungen Jahren. Auch psychische Störungen sind häufig. Etwa 43% der minderjährigen Adipositas-Patienten leiden an Depressionen, 40 % an Angststörungen, 17% an Essstörungen wie Binch-Eating oder Bulimie.

Vielfältige Ursachen
In seltenen Fällen sind es einzelne Gendefekte oder bestimmte Syndrome, die für Adipositas verantwortlich sind. Bei extremer frühkindlicher Gewichtszunahme sollte daher abgeklärt werden, ob z.B. genetische Ursachen (z.B. Leptinmangel, MC4R-Defekt) bzw. eine syndromale Erkankung (z.B. Prader-Willi-Syndrom, Cohen, Laurence-Moon/Bardet-Biedl, Alström-Syndrom) vorliegt. Weitaus häufiger sind allerdings multifaktorielle Erkrankungen, die sehr stark durch einen ungesunden Lebensstil bestimmt sind: kalorienreiches Essen in zu großen Portionen; Fastfood mit geringem Nährstoffhalt und emotionales Essen über das Hungergefühl hinaus. Negativ wirken sich Bewegungsmangel, exzessiver Medienkonsum und zu wenig Schlaf aus. Hinzu kommen psychosoziale Belastungen wie ein niedriger Bildungsstand, Stress in der Schule und in der Familie. Auch bestimmte genetische Prädispositionen in Bezug auf Energiehaushalt, Schilddrüsenunterfunktion, psychische Verwundbarkeit, Stressanfälligkeit und Sättigungsverhalten spielen eine Rolle.

Die Rolle der Mutter
Häufig sind ganze Familien von Adipositas betroffen, wobei besonders die weibliche Linie das Adipositas-Risiko anzeigt. Vereinfacht gesagt: Wenn Mutter, Großmutter und Tanten übergewichtig sind, setzt sich das häufig in den nächsten Generationen fort. Der Einfluss der Mutter beginnt bereits in der Schwangerschaft. Schon im Uterus prägt die Mutter durch ihre Ernährung das spätere Essverhalten. Überdies gehen Rauchen, Gestationsdiabetes und Nicht-Stillen mit einem erhöhten Risiko für Übergewicht und Essstörungen einher. Auch ob Adipositas in Kindheit und Jugend im Erwachsenenalter fortbesteht, korreliert mit dem Übergewicht der Mutter.

Multimodale Therapie
Genauso komplex die Ursachen für Adipositas meistens sind, so muss auch die Therapie an verschiedenen Hebeln ansetzen. Ein gutes Beispiel ist das ambulante Schulungsprogramm „Durch Dick und Dünn“ an der Universitäts-Kinderklinik Bonn. Das multimodale Programm richtet sich an adipöse Kinder zwischen 8 und 16 Jahren und deren Eltern. Mitmachen können Jungen und Mädchen, bei denen deutliches Übergewicht mit einem Body Mass Index (BMI) über der 99,5 Perzentile vorliegt. (Das heißt, die Betroffenen haben einen höheren BMI als 99,5 % der Gleichaltrigen.) Auch bereits aufgetretene Folgeerkrankungen können eine Indikation sein. Die Kinder und Jugendlichen und die Eltern lernen in einem Mix aus Sport- und Bewegungsförderung, Ernährungsberatung und Verhaltensumstellung, wie sie zu einem gesunden Essverhalten kommen. Voraussetzung für eine Teilnahme ist die Bereitschaft, regelmäßig an Gruppen- und Einzelterminen teilzunehmen. „Nur mit einem hohen Maß an Motivation, Lernfähigkeit und Veränderungsbereitschaft der ganzen Familie hat eine Teilnahme Aussicht auf Erfolg“, so Dr. Michaela Plamper.

Konservative Therapie oft erfolglos  
Dass es enorm schwer ist, auf konservativem Weg dauerhaft an Gewicht zu verlieren, berichten viele junge Adipositas-Patienten. Bei den Beratungsgesprächen im St. Franziskus-Hospital kommen übergewichtige Jugendliche, die schon im Teenageralter einen jahrelangen Kampf mit den Pfunden geführt haben. Von fehlgeschlagenen Versuchen mit Diät- und Fitnessprogrammen, von sozialer Ausgrenzung und Mobbing berichten die meisten. Viele Adipositas-Patienten sind in einen Teufelskreis aus geringem Selbstwertgefühl, Frust- und Trostessen, Unbeweglichkeit, Rückzug, Schuld- und Schamgefühlen geraten. Aus diesen Mustern auszubrechen, ist enorm schwer. Oft ist das erst durch eine multimodale Therapie in Verbindung mit einer bariatrischen Operation zu schaffen.

Bariatrische Operationen als Ultima Ratio
„Die Datenlage zu bariatrischen Operationen bei minderjährigen Patienten ist äußerst dünn,“ konstatiert Dr. Andreas Plamper. In den letzten 15 Jahren wurden im Adipositaszentrum am St. Franziskus-Hospital insgesamt rund 2.000 bariatrische Operationen durchgeführt, davon waren nur drei Patienten minderjährig und mit 17 Jahren nur knapp unter der Volljährigkeit. Auch international gibt es nur wenige Erfahrungen, so dass über den Therapieerfolg keine verlässlichen Aussagen getroffen werden können. „Eine Operation bei Jugendlichen ist als Ultima Ratio sicherlich besonders gründlich abzuwägen und muss stets in eine multimodale Therapie eingebettet werden“, so Plamper. Unbedingt erforderlich sei eine psychosoziale Begleitung und regelmäßige Nachsorge.

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